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Alles andere als Fein – krebseregender Schwermetallstaub

Bei den Neuzulassungen rückläufig (lt. VW) aber immer noch da - Krebseregendes Antimon in Staubform - Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bremsbelag

Bei den Neuzulassungen rückläufig (lt. VW) aber immer noch da – Krebseregendes Antimon in Staubform

Antimon

Im Bereich Umweltschutz gab es im Laufe der letzten Jahre etliche gute Nachrichten: Viele Schadstoffe, die in der Luft enthalten sind, gehen zurück. Seit mehreren Jahren sinkt zum Beispiel der Bleigehalt der Atmosphäre. Andererseits werden stets neue Chemikalien entwickelt, die sich im Gegenzug erneut ungehindert ausbreiten und anreichern können. In vielen Fällen bleibt dies erst einmal unbemerkt, da sich die Forschung auf bereits bekannte Stoffe konzentriert. Neue Gefahren werden damit lange übersehen. Der Stoff Antimon ist ein Beispiel für solch einen Prozess.

Bereits seit über 30 Jahren steigt die Belastung durch das Halbmetall Antimon kontinuierlich an. Global hat sie sich bereits verdoppelt. Ein Team der Universität Heidelberg hat dieses Thema aufgegriffen. Die Forscher um Michael Krachler vom Geochemischen Institut der Universität haben mittels Bohrungen in der Arktis und Proben des Torfs aus Hochmooren die Belastung mit Antimon rekonstruiert und anschließend mit aktuellen Daten verglichen.

Eine besonders hohe Belastung mit Antimon findet sich in der Nähe stark befahrender Straßen. Erhöhte Werte fanden sich in einzelnen Städten Schleswig-Holsteins sowie in München und Köln. Allerdings waren dabei nur bestimmte Teile des Feinstaubs Untersuchungsgegenstand.

Der Chemiker Michael Krachler zieht daher ein ernüchterndes Fazit: „Im Grunde kann man so nicht auf die Gesamtbelastung schließen.“ In einer im November 2005 veröffentlichen Untersuchung wurde jedoch erstmals die Menge an Antimon im Schwebstaub Tokios analysiert. Von den Ergebnissen zeigten sich auch die Autoren der Studie überrascht. Es wurden „extrem hohe Werte für Antimon“ ermittelt. Die Hintergrundbelastung würde zum Teil bis zu 20.000-fach überschritten. Krachler resümiert daher: „Antimon ist im Straßenstaub heute der am stärksten angereicherte Schadsoff.“

Gerd Weckwerth, Forscher der Universität Köln, fand heraus, dass sich die Antimon-Teilchen sehr lange in der Luft aufhalten. Sie sind lediglich einen Mikrometer groß und schweben bis zu zwei Wochen in der Luft, während andere Teilchen längst auf den Boden gesunken sind. Die Schadstoffe treiben demnach über weite Strecken durch die Stadtgebiete. Weckwerth hat eine Verbreitung über ganz Köln nachgewiesen. Trockenes Wetter begünstigt die Ausbreitung zusätzlich.

Antimon entsteht vorwiegend im Straßenverkehr. In Form von Antimonsulfid ist der Stoff in den Bremsbelägen der meisten Autos zu finden. Aufgrund des Abriebs beim Bremsen werden die Teilchen freigesetzt und gelangen in die Luft. Michael Krachler fasst dies zusammen: „Seit Mitte der achtziger Jahre wird bei den meisten Fahrzeugen die Antimonverbindung für die Bremssysteme verwendet. Zuvor hatte man Asbest eingesetzt. Das wurde aufgrund seiner Krebs erzeugenden Wirkung ausgetauscht.“ Bremsbeläge ohne Antimon sind jedoch spürbar teurer. Eine Alternative sind Bremsen aus Karbonfasern, wie sie beispielsweise von Porsche verwendet werden.

Inzwischen werden jährlich etwa 140000 Tonnen Antimon hergestellt. Die Produktion hat sich seit den 1970er Jahren damit etwa verdoppelt. Antimon ist zu einem sehr wichtigen Stoff der chemischen Industrie geworden. Vor allem in Kunststoff kommt das Antimon zum Einsatz. Antimonoxid dient beispielsweise als Katalysator bei der Herstellung von PET. Es ist somit in vielen Flaschen und anderen Verpackungsmaterialien nachweisbar. Doch auch in Stereoanlagen, TV-Geräten, PCs und Spielzeugen finden sich Antimonverbindungen: Sie werden als Flammhemmer verwendet. Mittels Antimon soll vermieden werden, dass Gegenstände aus Kunststoff zu schnell verbrennen.

Ein Problem ist Antimon jedoch nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch in der späteren Entsorgung. In Müllverbrennungsanlagen wird Antimon aus einer Vielzahl von Gegenständen wieder freigesetzt und gelangt auf diese Weise schließlich als Feinstaub in die Atmosphäre. Michael Krachler schildert die Reise des Antimon: „Ein Antimonteilchen von 1 µm Größe kann am Tag bis zu 500 km weit transportiert werden. Auf diese Weise erreicht es nach kurzer Zeit die Arktis.“ Er und sein Team haben nachgewiesen, dass ein großer Teil der Antimon-Belastung der Arktis aus Nordeuropa oder Asien stammt. Der Anteil von Antimon aus Amerika fällt bisher hingegen kaum ins Gewicht.

Zwar sind die Antimon-Konzentrationen in der Arktis derzeit noch gering, doch Georg Weckwerth geht davon aus, dass die Belastung im städtischen Raum deutlich höher liegt:

„Das Schwermetall könnte chronische Erkrankungen oder gar Lungenkrebs auslösen. Das Krebsrisiko durch Antimon könnte in verkehrsreichen Orten wie Köln etwa so groß sein wie das durch Dieselruß.“

Durch das freie Schweben der Antimon-Teilchen können diese ungehindert durch den Atem aufgenommen werden.

Inzwischen gilt Antimon als krebserregender Stoff. Die DFG-Senatskommission hat Antimon und diverse Antimon-Salze geprüft letztlich neu eingestuft. Antimon unterliegt seitdem der EU-Gefahrstoffkennzeichnung. Die Prüfkommission kommt dabei zu folgendem Ergebnis: „Im Tierversuch und in epidemiologischen Studien beim Menschen führt Antimon zu Lungentumoren. Allerdings ist dies ein Effekt, der in den Untersuchungen erst bei hohen Konzentrationen in der Größenordnung von einigen Milligramm je Kilogramm Körpergewicht auftrat.“

Forschern ist darüber hinaus klar, dass Antimon in die Geschlechtsorgane gelangen und damit das Erbgut der menschlichen Zellen verändern kann. Eine Mitarbeiterin der Senatskommission teilt dazu mit: „Zumindest kann das nicht ganz ausgeschlossen werden.“ Sie betont jedoch auch, dass kein Grund zur Panik bestehe. Dass viele der Chemikalien, die im Alltag zur Anwendung kommen, auch das menschliche Erbgut beeinflussen können, ist in der Forschung unstrittig. Es ist daher zu vermuten, dass auch das Vorkommen von Antimon in der Atmosphäre zu derartigen Veränderungen führen kann. Vor allem die Effekte von geringen Konzentrationen können im menschlichen Körper Veränderungen hervorrufen. Für viele Stoffe sind diese Wirkungen jedoch noch nicht erforscht. Mit dem Stoff Antimon und dessen Wirkungen beschäftigt sich inzwischen auch Andrea Hartwig von der Technischen Universität Berlin. Die Professorin für Lebensmittelchemie erklärt:

„Die zunehmende Antimonbelastung in der Umwelt ist ein Problem, das bislang nur wenig beachtet wurde. Da gibt es noch Forschungsbedarf.“

Abhängig von den Ergebnissen dieser und weiterer Untersuchungen werden ggf. die Grenzwerte für die Belastung durch Antimon noch einmal neu festgelegt.

Nachtrag:

Besonders unschön ist die Verwendung von Antimon im Kinderzimmer. Oft sind sich Eltern oder andere Schenker gar nicht darüber bewußt, dass Antimon in Polyesterspielzeug vorkommen kann und als Flammschutzmittel eingesetzt wird. Als Vorsicht: Klagt das Kind über Hautreizungen, Magenkrämpfen und Durchfall sowie Herz-Kreislauf-Probleme, kann das neue Spielzeug der Übeltäter sein und Antimon-Vergiftung vorliegen.

 

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